149
sie an der sicilischen Küste durch einen Sturm größtentheils
zernichtet. Ein gleiches Schicksal hatte eine andere Flotte, die
vergebens den Krieg wieder nach Afrika zu versetzen suchte
(253); und der römische Senat beschloß, nun vor der Hand
dem Seekriege zu entsagen, um mit aller Kraft den Kampf auf
dem Festlande von Sicilien zur endlichen Entscheidung zu brin-
gen. Auch hier hatte der Krieg auf beiden Seiten einen wech-
selvollen Umschwung genommen; Karthago den römischen Waf-
fenplatz Agrigent, Rom den karthagischen Waffenplatz Panormus,
das heutige Palermo, erobert. In den nächstfolgenden Jahren
wurde nichts von besonderer Entscheidung ausgeführt. Seit der
berüchtigten Niederlage des Regulus hatten die Römer wieder
große Furcht vor den Elephanten, und sie wagten lange Zeit
hindurch keinen ernsthaften Angriff auf das mit zahlreichen Ele-
phanten ausgerüstete feindliche Heer. Das machte den panischen
Anführer Hasdrubal kühn, die Schlacht zu suchen. Im Jahre
250 kam es unter den Mauern von Panormus zu einer ent-
scheidenden Schlacht, in welcher er von dem Consul L. Cäci-
lius Metellus gänzlich geschlagen wurde. Hundertzwanzig
Elephanten fielen in die Hände der Römer und verherrlichten
den Triumphzug des Metellus. In Folge der Niederlage räum-
ten die Karthager fast alle Besitzungen auf Sicilien bis auf Lt-
lybäum und Drepänum. Und als sie auch diese bedroht sahen,
schickten sie eine Gesandtschaft nach Rom, um den Frieden oder
wenigstens die Auswechselung der Gefangenen zu unterhandeln.
Um des Erfolges gewisser zu sein, wurde der gefangene Regu-
lus der Gesandtschaft beigeordnet, jedoch durch einen Eid
pflichtet, in die Gefangenschaft zurückzukehren, falls seine Mit-
bürger die Anträge verwerfen sollten. Er ging mit ab nach
Rom; aber statt hier zum Frieden zu rathen, munterte er zur
eifrigsten Fortsetzung eines Krieges auf, dessen Ausgang nicht
mehr zweifelhaft sei. Er versicherte im Senate: daß nur Ohn-
macht und Schwäche die Karthager zum Frieden nöthigten, daß
übrigens die Gefangenen feige und wcrthlose Menschen wären,
mit deren Einlösung nichts gewonnen würde. Dabei verbot er
auf das nachdrücklichste, auf ihn selbst irgend eine Rücksicht zu
nehmen. Und dieses verbot er, ungeachtet er wußte, daß das
traurigste Loos ihn treffen würde. Auf seinen Antrag schlug
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111
brauchten die Gallier falsche Gewichte; und als ein Römer
dieses rügte, warf Brennus auch noch sein Schwert in die
Gewichtschale und rief höhnend: „Besiegte müssen leiden!" (Vae
victis!) Da plötzlich kam Camillus mit seinem Heere von Veji
heran. Wie er das Unwesen auf der Burg sah, gerieth er in
heftigen Zorn. „Weg da mit dem Golde, — rief er — mit Eisen
erkauft der Römer sein Vaterland!" Brennus berief sich auf
den rechtmäßigen Vertrag der Belagerten. „Der gilt nicht —
war die Antwort — ich bin Diktator, ohne mich kann kein
Römer Verträge schließen." Jetzt mußte eine Schlacht entschei-
den. Diese entschied gegen die Gallier; sie wurden von Camil-
lus fast gänzlich aufgerieben. Mit Bestimmtheit jedoch wird von
einem der angesehensten Schriftsteller des Alterthums versichert,
die Gallier seien mit dem Lösegelde abgezogen, ohne von Camil-
lus dessen wieder beraubt und geschlagen worden zu sein 3).
Überhaupt hat patriotische Dichtung über dieses schmachvolle Un-
glück Roms, wie über die frühere Demüthiguug durch Porsenna,
einen Farbenglanz ausgebreitet, als hätte es gegolten, das größte
Siegesglück zu verherrlichen.
Das verarmte Volk wollte die wüste Brandstätte verlassen
und sich in dem schönen Veji niederlassen; allein Camillus hielt
die Verzweifelten abermals an dem Orte ihres alten Ruhmes
zurück. Ein günstiges Omen war ihm hierbei besonder- behülf-
lich und brachte die schwankenden Gemüther zum Entschluß.
Eines Tages war der Senat in der Curie versammelt, während
ein Hauptmann seine Cohorte über das Forum führte und dem
Fahnenträger die Worte zurief: „Halt, hier bleiben wir am
besten!" Und sogleich traten die Senatoren heraus und riefen,
sie nähmen dieses Omen an! und die herbeiströmende Menge gab
ihren Beifall. Rasch wurde wieder angebauet; und innerhalb
eines Jahres stand da ein neues Rom, das aber noch nach
Jahrhunderten in seinen unregelmäßigen Straßen die Spuren
dieser Eilfertigkeit trug. Bei Aufräumung der Stadt war un-
versehert unter verbrannten Trümmern der Augurstab gefunden
3) „Traditur etiam retulisse (Drusus) ex provincia Gallia aurum
Senonibus olim in obsidione Capitolii datum, nec, ut fama est, extor-
tum a Camillo.“ Sueton. Tiber. c. 3.
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264
dem Tode des Sulla nach Rom zurück. Um sein Rednertalent,
von welchem er hier schon herrliche Proben abgelegt hatte, noch
mehr auszubilden, machte er im Winter des Jahres 76 eine Reise
nach Rhodus, wo der berühmte griechische Rhetor Molo eine
Schule für die Redekunst eröffnet hatte. Unweit Milet wurde
er von Seeräubern aufgefangen, welche zwanzig Talente Löse-
geld forderten. Er aber wollte fünfzig geben, indem er sagte,
er sei wohl so viel und auch noch mehr werth; — und schickte
seine Sklaven ab, das Geld zusammenzubringen. Vierzig Tage
lang war er auf dem Caperschiffe. Durch Kühnheit, Geist und
Witz nahm er erst die Piraten für sich ein, dann beherrschte er
sie; ja er nahm keinen Anstand, ihnen im Scherze zu drohen, er
werde sie alle hinrichten lassen. Endlich kam das Lösegeld an,
und er wurde bei Milet an's Land gesetzt. Sofort eilte er an
der Spitze einiger wohlbemannten Schiffe, die er sich verschafft
hatte, den Räubern nach, holte sie ein und verwirklichte an ihnen
seine frühern Drohungen. Nach seiner Wiederankunft in Nom
erwarb er sich durch seine Freigebigkeit und demokratischen Grunde
sätze die Volksgunst, das sicherste Mittel der Erhebung; und sein
Ehrgeiz spornte ihn immer vorwärts auf der Bahn der Ehre
und des Ruhmes. Im Jahre 67 ging er als Quästor nach
Spanien, und sprach zu Gades, vor dem Standbilde Alexander's
des Großen, mit Thränen in den Augen: „Der hatte in mei-
nem Alter schon die Welt erobert, und ich — ich habe noch
nichts gethan!" Als curulischer Ädil (65) empfahl er sich dem
Volke durch die prachtvollsten Spiele; namentlich veranstaltete
er ein Gladiatorengefecht, bei welchem 320 Paar, alle in sil-
bernen Rüstungen, auftraten. Durch nichts aber sprach er seine
Gesinnung deutlicher und nachdrücklicher aus, als durch die Her-
stellung der Trophäen des Marius. Bei Nacht ließ er sie, mit
Bildern des Sieges und der Siegesgöttin geschmückt, auf dem
Capitole aufstellen; eine Inschrift feierte die Thaten, deren Denk-
male sie waren. Das Aufsehn war allgemein, die Wirkung ge-
waltig. Mit lautem Jubel begrüßten die alten Marianer, deren
große Zahl man da erst kennen lernte, das Bild ihres großen
Feldherrn im glänzenden Schmucke seiner Kriegestrophäen, und
Cäsar galt seitdem als ihr neues Haupt. Im Senate dagegen
vernahm man das ernste Wort: nicht mehr durch unterirdische
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Extrahierte Personennamen: Sulla Marius Marius Cäsar
266
steigen, der Andere behaupten, der Dritte gewinnen wollte,"-)
bekam, als er bekannt wurde, vom Volke den Spottnamen
Triumvirat (Dreimännerbund). Cäsar erlangte nun durch
Hülfe des Pompejus und Crassus, was er gesucht hatte, und
wurde Consul im Gemeinschaft mit M. Calpurnius Bibulus (59).
Um das Volk zu gewinnen und seinen Verbindlichkeiten gegen
Pompejus nachzukommen, trat er zunächst mit einem neuen Acker-
gesetze auf, nach welchem die in Campanien gelegenen Staats-
ländereien an 20,000 ärmere Familienväter, die drei oder mehre
Kinder hätten, und vorzugsweise an die Veteranen des Pompe-
jus vertheilt werden sollten Das Gesetz war so vorsichtig ab-
gefaßt, daß Niemand im Senate gegen dieses selbst etwas Er-
hebliches einwenden konnte; allein über die eigentliche Tendenz
desselben blieb der Senat keinen Augenblick in Ungewißheit; und
Cato trat mit der Erklärung auf: „Wir wollen nicht, Cäsar,
daß du auf Kosten des Schatzes dir die Gunst des Volkes er-
kaufen sollst." Nun brachte Cäsar die Sache an das Volk.
Nach einer öffentlichen Rede, die er zur Empfehlung des Vor-
schlages hielt, fragte er, um nicht die Form zu verletzen, zuerst
seinen Collegen Bibulus um seine Meinung. Dieser widersetzte
sich dem Anträge und hielt eine heftige Gegenrede, wurde aber
mit Gewalt aus der Versammlung getrieben. Pompejus erklärte
sich dafür und versprach, Schild und Schwert für das Gesetz
zu erheben, wenn es sollte angefochten werden. Als in demsel-
den Sinne sich auch Crassus aussprach, blieb kein Zweifel mehr
über das Dasein einer Verbindung zwischen den Dreiherrn.
Das Gesetz wurde von allen Tribus bestätigt; und der einge-
schüchterte Bibulus zog sich fast von allen Geschäften zurück, so
daß eigentlich Cäsar allein Consul war Dieses haben die Zeit-
genossen hinlänglich bezeugt, indem sie jenes Jahr witzig bezeich-
neten: „als Julius und Cäsar Consuln waren." Um auch die
einflußreichen Ritter, die durch die Mithridatischen Kriege große
Verluste erlitten hatten, für sich zu gewinnen, setzte er einen
zweiten Antrag an das Volk durch, nach welchem den Pächtern
2) 8ic igitur Caesare dignitatem comparare, Crasso augere, Pom-
pejo retinere cupientibus omnibusque pariter potentiae cupidis, de in-
vadenda república facile convenit. Florus Iv. 2.
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302
trieben eilte er, für dessen Größe so viele Tausende von Ta-
pfern kämpften, kleinmüthig und verzagt, seiner verräterischen
Gebieterin nach. Vier Stunden noch hielt sich die Flotte, und
erst bei einbrechender Nacht ergab sie sich. Das Landheer, ge-
treu und kampflustig, harrte sieben Tage lang der Ankunft des
Triumvirs; aber er kam nicht. Da traten die Häupter, da
traten endlich Alle, weil sie sich verlassen sahen, zu dem er-
staunten Sieger über.
Octavian folgte den Geflohenen nach Ägypten. Hier rü-
stete sich Antonius noch einmal zur Gegenwehr und stellte seine
Streitmacht vor den Thoren von Alerandria auf; aber mit
Schrecken mußte er sehen, wie eine Schar nach der andern,
wahrscheinlich auf Geheiß der Cleopatra, zum Sieger über-
ging. Auch sie, die Treulose, verließ ihn jetzt. Sie verbarg
sich in dem schwer zugänglichen Begräbnißgewölbe, das sie sich
nach der Sitte ihrer Nation hatte erbauen lassen, und ließ das
Gerücht ausstreuen, daß sie sich den Tod gegeben. Bei dieser
Nachricht stürzte sich der Unglückliche, welcher nur für sie lebte,
in sein eigenes Schwert. Aber während er in seinem Blute
zuckend dalag, kam die neue Nachricht, Cleopatra lebe noch.
Nun ließ er sich nach dem Gewölbe zu ihr hintragen und starb
nach langen Zuckungen zu ihren Füßen. Als sie seiner entledigt
war, hoffte sie, wie schon die beiden andern, so auch den dritten
Herrn der Welt sich unterwerfen zu können und bot hiezu ihre
letzten Reize auf. Allein Octavian, welcher einzig darnach
strebte, die Pracht seines Triumphes durch jene berühmte Schön-
heit zu vergrößern, blieb kalt gegen sie und ließ sie heimlich
überwachen. Da sah die enttäuschte Königin den Tod für das
geringste der Übel an, welche ihr bevorstehen konnten. Sie ließ
sich in einein Korbe, heißt es, ein Paar giftige Schlangen
bringen, die mit Früchten bedeckt waren, um die Wächter zu täu-
tchen. Diese hielt sie sonder Grauen an ihre Brust und starb an
ihren giftigen Bissen. Ägypten ward jetzt (30) römische Provinz.
Nach dem Tode des Antonius, des letzten Nebenbuhlers,
stand Octavian als Alleinherrscher des Ungeheuern römischen Rei-
ches. Dasselbe erstreckte sich über die drei damals bekannten Welt-
theile hindurch, vom atlantischen Meere bis zum Euphrat, vom
Rhein, von der Donau und dem schwarzen Meere bis an die
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Extrahierte Personennamen: Octavian Antonius Antonius Alerandria Cleopatra Octavian Antonius Octavian
77
Tarquinius, noch immer gesonnen, seine Rückkehr zu er-
zwingen, fand Hülfe bei Porsenna, dem mächtigen Könige
(Lucumo) von Clusium in Etrurien. Dieser zog an der Spitze
eines furchtbaren Heeres gerade auf Rom los. Vor der Über-
macht des anrückenden Feindes flohen Alle in die Mauern der
Hauptstadt. Die Vorstadt Janieulus ging beim ersten Sturme
verloren,, und gewiß wären die Etrusker mit den fliehenden Rö-
mern über die Tiberbrücke in die Stadt gedrungen, hätte sic
nicht ein heldenmüthiger Mann, Horatius Cocl es, mit Gewalt
zurückgehalten. „Was wird euch das Fliehen helfen — rief er
seinen Mitbürgern zu — wenn ihr dem Feinde die Brücke las-
set, euch nachzueilen! Zerstöret doch, ich bitte euch, mit Feuer,
mit Eisen, und womit ihr immer könnet, die Brücke. Ich will
unterdeß dem Übergange wehren, so viel ein Einzelner vermag."
— Es geschah. Nur zwei blieben bei ihm; und diese drei
Menschen stemmten am Eingänge der Brücke dem Andrange ei-
nes ganzen Heeres ihre Schilde und Lanzen kühn entgegen,
während die andern mit dem Abbrechen der Brücke beschäftigt
waren. Endlich war diese dem Einstürze nahe, und die Rö-
mer riefen ihre treuen Streiter zurück. Nur die beiden an-
dern gingen; Horatius allein blieb und wehrte sich so lange, bis
er hinter sich das Gerassel der einstürzenden Brücke und das
Jubelgeschrei der jenseits stehenden Römer hörte. Da sprang
er, bewaffnet wie er war, in die Tiber und schwamm, unter
den tausend nachfliegenden Geschossen der Feinde unversehrt an
das andere Ufer, wo ihn seine Mitbürger als ihren Netter em-
pfingen. Durch solche Kühnheit war Nom wohl für den Au-
genblick gerettet, das Verderben jedoch nicht abgewendet. Denn
Porsenna ließ die Stadt auf das engste einschließen, um sie durch
Hungersnoth zur Übergabe zu zwingen. Da, als die Noth am
größten war, faßte ein Jüngling, Casus Mucius, der nachher
den Beinamen Scäv ola, d. i. Linkhand, führte, den verwegenen
Plan, durch Meuchelmord der Retter seiner Vaterstadt zu werden.
In der Frühe des Morgens schlich er, um unkenntlich zu sein,
in etruskischer Kleidung, mit einem Dolche versehen, in das
feindliche Lager. Hier mischte er sich unter die Haufen der
Soldaten und drängte sich mit voran bis zum Gezelte des Kö-
nigs, wo gerade der Sold ausgezahlt wurde. Neben dem Könige
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saß der Schreiber, beide gleich gekleidet, aber Alle wendeten sich
an den Schreiber. Da meinte Mucius, dieser müsse wohl der
König sein; und weil er sich durch Nachfragen nicht verrathen
durfte, so erstach er diesen statt des Königs. Ergriffen, ent-
waffnet sollte er bekennen, wer er wäre und was ihn zu dieser
That vermögt hätte. „Ein römischer Bürger bin ich, — war
die Antwort — Mucius ist mein Name. Als Feind wollte ich
den Feind tödten und scheue den eigenen Tod nicht; denn herz-
haft handeln und herzhaft leiden ist Römer Sitte5). Und wisse,
nicht ich allein, eine große Zahl Jünglinge hat sich wider dein
Leben verschworen; in jeder Stunde wird ein Mörder dich um-
lauern!" Über solche Tollkühnheit ward der König höchst ent-
rüstet. Er drohete, ihn lebendig zu verbrennen, wenn er ihm
nicht auf der Stelle die Verschwörung näher entdecke. „Sieh'
her und lerne, — rief Mucius trotzig — wie wenig denen das
Leben gilt, die hohen Ruhm vor Augen haben!" -- und streckte
seine rechte Hand in die lodernde Flamme des nahen Opferheer-
des. Ein Grausen ergiff Alle. Der König sprang gerührt von
seinem Sitze, riß ihn vom Feuer weg und schenkte ihm groß-
müthig Leben und Freiheit. Da sprach der listige Mucius, als
wollte er für diese Großmuth erkenntlich sein: „So wisse denn
nun, unser dreihundert haben sich verschworen, auf diese Art dir
beizukommen. Mein Loos war das erste. Die übrigen werden,
so wie es sie trifft, jeder zu seiner Zeit, sich einstellen!" —
'Von Hunger und Feinden bedrängt, mußte sich endlich Rom er-
geben und einen harten Frieden annehmen. Sie mußte die Waf-
fen abliefern und fast den dritten Theil ihrer Feldmark abtreten,
so daß nur noch zwanzig Tribus übrig blieben. Man huldigte
dem Sieger durch Übersenduug der Königlichen Insignien und
stellte zehn Jünglinge und eben so viele Jungfrauen als Geißel.
Unter diesen befand sich auch die kühne Clölia. Sie überlisteje
in einer Nacht die Wachen, schwamm, ihren übrigen Gefähr-
tinnen voran, durch die Tiber und brachte sie alle wohlbehalten
nach Rom zu ihren Eltern. Jedoch die Römer sandten die küh-
nen Mädchen sogleich zum Porsenna zurück. Dieser lobte und
bewunderte die Clölia und schenkte ihr die Freiheit, mit der Er-
5) Fortia agere et pati Romanum est. Liv.
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209
zen und sich zum Alleinherrscher aufwerfen, einen Schein von
Wahrheit gegeben. Allein Tiberius ließ sich auf der einmal ein-
geschlagenen Bahn, auf welche ihn nicht Ehrsucht, sondern
die Noth des Volkes gerufen hatte, durch nichts aufhalten; und
die gehässigen Anfeindungen seiner Gegner trieben ihn nur um
so rascher vorwärts. Es war gerade das Testament des Königs
Attalus von Pergamus zu Rom angekommen. Und sofort stellte
Tiberius den Gesetzantrag, daß die Schätze, welche der König
dem römischen Volke vermacht hatte, unter diejenigen Bürger ver-
theilt werden sollten, denen Ländereien angewiesen werden wür-
den, um ihnen die Mittel zum Ankäufe der nöthigen Ackerge-
räthschaften zu gewähren. Mit steigendem Schrecken sahen die
Vornehmen solchen Neuerungen zu und erwarteten mit Sehnsucht
das nahende Ende des Amtsjahres des Tiberius und hiermit
den völligen Umsturz seiner Neuerungen. Es waren noch keine
Ländereien zur Vertheilnng gekommen; außerordentlich waren die
Schwierigkeiten, auf welche die Commission bei der Ausführung
des Gesetzes stieß Schon die unumgängliche Vorarbeit, die Un-
tersuchung, was Gemeindeland, was Privatacker sei, hatte deren
im vollen Maße; denn durch den vieljährigen Besitz war aus
beiden ein einziges großes Ganze geworden: und von allen Sei-
ten erhoben sich Klagen und Beschwerden über Verletzung des
Eigenthums. Tiberius mußte fürchten, daß sein Gesetz wohl
nicht zur Ausführung kommen würde, wenn ihm nicht auch für
das folgende Jahr das Tribunat übertragen würde, und er suchte
deshalb durch glänzende Zusagen und Verheißungen sich der
Volksgunst zu vergewissern. Allein es war gegen alles Her-
kommen, das Tribunat zu verlängern, und feine Gegner boten
Alles auf, dieses zu hintertreiben.
Der Tag der neuen Wahl fiel gerade in die Erntezeit, in
welcher die Landbewohner, die zu jeder andern Zeit zu tausenden
zu fernem Schutze nach Rom geströmt sein würden, durch Arbeiten
auf den Feldern davon abgehalten wurden. Dennoch hatten
schon zwei Tribus den Tiberius von neuem gewählt, als die
Gegenpartei die Stimmen für ungesetzlich erklärte und von den
Tribunen verlangte, daß sie die Wahl hindern sollten. Der
Tribun Rubrius, welcher das Wahlgeschäft leitete., -war un-
schlüssig und wußte nicht, was er thun sollte ; und Mummius,,
Wetter, Geschichte der Römer. \a
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Extrahierte Personennamen: Tiberius Tiberius Tiberius Tiberius Tiberius
339
parthischen Reiche vor. Hier hatte ein persischer Fürst Ardschir,
gewöhnlich Artarerres genannt, die vierhundert zwei und acht-
zigjährige Partherberrschast gestürzt und das neu persische
Reich gestiftet. Im stolzen Gefühle des wiedererweckten Ruh-
mes des persischen Namens machte Artarerres auf das römische
Asien Anspruch und drang über den Tigris vor. Nasch zog
Severus gegen ihn, drängte ihn nach vierjährigem, wechselvol-
lem Kampfe in sein Reich zurück und stellte die alte Grenze
wieder her. Darauf wendete er sich mit gleicher Entschlossenheit
gegen die Deutschen, welche unterdessen aufgestanden und in
Gallien eingefallen waren. Seine Mutter begleitete ihn nach
dem Rhein. Im Lager bei Mainz brach plötzlich wegen der
strengen Mannszucht, die hier gehalten werden sollte, eine Meu-
terei der jungen Soldaten aus. Sie ermordeten den Kaiser
nebst seiner Mutter und riefen ihren Führer, den rohen, aber
durch riesenmäßige Größe und Stärke ausgezeichneten Thracier
Mariminus zum Kaiser aus.
C. Jul. Verus Mari minus (235—238). Dieser rohe
Barbar kam während seiner dreijährigen Negierung gar nicht
nach Rom, sondern blieb an der Spitze des Heeres stehen und
setzte den Krieg gegen die Deutschen glücklich fort. Allein seine
entsetzliche Raubsucht und die unmenschliche Grausamkeit, mit der
er alle durch Bildung und Geburt Hervorragenden verfolgte,
erregten überall Unwillen und Ansruhr. In Afrika wurde der
dortige Proconsul, der achtzigjährige Gordianus I. als Kaiser
ausgerufen und vom Senate bestätigt. Seinen kraft- und geist-
vollen Sohn nahm er zum Mitregenten an. Der treffliche Jüng-
ling blieb aber in der Schlacht gegen den von Mariminus auf-
gebotenen Statthalter von Mauretanien, und der unglückliche
Vater entleibte sich selbst (237). Jetzt erwählte der Senat aus
seiner Mitte zwei Kaiser, Balbinus und Papienus, und
gesellte ihnen den jungen Gordianus Iii. als Cäsar bei. Wü-
thend rückte Marimin nach Ober-Italien vor; allein seine mit
jedem Tage zunehmende Härte und Grausamkeit wurde zuletz
seinen eigenen Soldaten so unerträglich, daß sie ihn ermordeten.
Ein gleiches Schicksal traf aber auch bald nachher die beiden
Senatoren-Kaiser. Die Prätorianer, eifersüchtig über die ange-
22 * '
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: Mari Gordianus_I. Mariminus Cäsar
Extrahierte Ortsnamen: Asien Gallien Rhein Mainz Mariminus Rom Afrika Mauretanien Balbinus Ober-Italien
386______
mit einer Mprtenkrone und in der Toga präterta, in die
Stadt einzog.
Eine eigentliche Seemacht erhielten die Römer erst wäh-
rend des ersten punischen Krieges (S. 147). Ihre Kriegsflotte
bestand theils aus großen Kriegsschiffen (naves lon^ao) mit drei
oder fünf Ruderbänken (triremes, quinhuoremos), theils aus
leichten Fahrzeugen (actuariae, Liburnae), theils aus Trans-
portschiffen (onerariae). Der Seedienst wurde im Ganzen we-
niger geachtet, und die Soldaten fast nur aus ärmeren Bür-
gern, Freigelassenen und Ausländern genommen. Die Bundes-
genossen, besonders die Rhodier, versorgten die römische Flotte.
K. 86. L i t e r a t u r *)>
Die Römer hatten für Kunst und Wissenschaft kein so em-
pfängliches Gemüth, wie die Griechen, und sind zu allen Zeiten
von der Nachahmung Anderer, anfangs der Etrusker, dann der
Griechen, mehr oder weniger abhängig gewesen. Nur einzelne
Zweige, die auf das Leben und den Nutzen oder die Ergötz-
lichkeit desselben gerichtet waren und insofern ihrem durchaus
praktischen Sinne oder dem Nationalgefühle besonders zusagten,
wie Rechtswissenschaft, Beredsamkeit und Geschichte, gelangten zu
einer selbständigeren Entwickelung. Auch bei weitem nicht so
früh, wie bei den Griechen, entwickelten sich bei ihnen die wissen-
schaftlichen Keime. Vor dem Ende des ersten punischen Krieges
kann von einer eigentlichen Literatur der Römer nicht die Rede
sein. Die Gesänge der salischen Priester, Tisch- und Triumph-
lieder, die Fescenninen ( Ertemporalgesänge bei häuslichen und
ländlichen Festen), die oscischen Atellanen (eine Art improvifirter
nach der Stadt Atella benannter Possenspiele), dürftige Chro-
niken und einige Bruchstücke von Gesetzen und Inschriften sind
die einzigen literarischen Versuche, von welchen Kunde auf uns
gekommen ist. Erst als sie mit den Griechen in nähere Verbin-
dung getreten waren und die gebildetsten derselben ihre Sklaven
und als solche nicht nur ihre Vorleser und Gesellschafter, sondern
*) B ernhardy, Grundriß der röm. Literatur, 1830. — Bähr,
Geschichte der römischen Literatur. 3. Aufl. 1845. — Klotz, Geschichte
der latein. Literatur. 1. Band. 1846.
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